Die Fauna

 

Die Fauna des Parks bietet Besonderheiten von außergewöhnlichem Interesse, das alleine schon das Bestehen des Schutzgebietes rechtfertigen würde. Nach Jahren der Wilderei und Heimsuchungen ist sie heute dank des erzieherischen und konservatorischen Einsatzes der Parkverwaltung in den letzten Jahren vollkommen geschützt. Für die Besucher ist es nicht einfach, die Tiere zu Gesicht zu bekommen, weil die meisten von ihnen scheu und vorsichtig sind und dem Menschen ausweichen, viellei­cht aufgrund der schlechten Erfahrungen mit ihnen.

Trotzdem ist es in einigen Jahreszeiten und in besonderen Situationen großer Ruhe, Stille und Rücksicht auf die Umgebung möglich, sogar die faszinierendsten und typisch­sten Tiere des Parks zu Gesicht zu bekommen: die Abruzzen-Gemse, den Braunen Bären der Marsica, Hirsche und den Königsadler. Im Park lebt heute eine artenreiche Vielfalt von Tieren, die früher einmal die Berge und Täler des Apennin bevölkerten: 60 Säugetierarten, 300 Vogelarten, 40 Arten von Reptilien, Lurchen und Fischen, dazu unzählige Insektenarten, die auch wichtige Endemismen umfassen.

Das bekannteste Tier, ja das Wahrzeichen des Pari«, ist der Braune Bär der Marsica (Ursus arctos marsicasnus), der in dem Schutzgebiet mit ungefähr einhundert Exemplaren vertreten ist. Auch wenn man ihn sehr selten zu Gesicht bekommt, ist eine Begegnung mit dem Bären ein erregen­des Erlebnis; leichter trifft man auf die Zeichen seiner Anwesenheit wie die charakteristischen, einfach zu erken­nenden Spuren im Schlamm und im Schnee, oder die großen Steine, die der Bär wälzt und umdreht, um die unter ihnen lebenden Tiere zu fressen. Gegenüber dem Menschen jedenfalls ist kein anderer Brauner Bär derart friedlich und tolerant wie der der Marsica. Unter der Fauna des Parks gebührt der zweite Platz der Rangliste der Abbruzzen-Gemse (Rupicapra ornata). Ihre außergewöhnlich entwickelten Homer - die Krücken -, die schöne Winterfärbung des Felles und andere, weniger deu­tliche Merkmale unterscheiden sie von allen anderen Arten und machen sie zur 'schönsten Gemse der Welt'. Im Sommer nimmt das Fell dieses Huftiers eine einheitliche, rötlichbraune Färbung an, während es sich im Winter mit einer herrlichen Zeichnung in unterschiedlichen Farben bedeckt, und ein schwarzes Band um den schneeweißen Hals liegt. Es leben im Park ungefähr 600 Exemplare; die Abruzzen-Gemse bevölkert immer häufiger wieder die Gebiete, in denen sie früher ungestört existiert hatte: wem sich die Gelegenheit bietet, einige Tiere zu beobachten, der tue das in absoluter Stille, damit sie nicht verängstigt wer­den und flüchten.

Der Apennin-Wolf (Canis lupus italkus) - eines der wichtigsten Tiere des Parks, der rigoros geschützt wird - gilt als die im Apennin vorkommende Varietät einer früher in ganz Europa verbreiteten Art: im Apennin leben nach den letzten Schätzungen 400 bis 500 Exemplare, 40 bis 50 von ihnen im Nationalpark der Abruzzen. Der Wolf läuft im allgemeinen, indem er die vier Pfoten entlang einer einzigen Linie setzt, und wenn man auf seine Spuren stößt, erstaunt einen diese Besonderheit nicht wenig. Unter den Säugetieren ist weiter der Hirsch (Cervus daphus hippelaphus) zu erwäh­nen. Dieser Pflanzenfresser war in dem Gebiet des Parks bis in das letzte Jahrhundert ausgerottet und konnte mit Erfolg wieder eingesetzt werden. Das Männchen ist leicht an dem verzweigten Geweih (Jagdtrophäe) zu erkennen, das jedes Jahr abgeworfen wird und wieder nachwächst. Auch das Reh (Capreolus capreolus), das man kaum noch antreffen konnte, ist im Park wieder heimisch geworden. Diese beiden Pflanzenfresser tragen wesentlich dazu bei, wieder ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Raubtieren und Beutetieren herzustellen und derart ein ökologisches Gleichgewicht zu begründen, das sich selber erhalten kann. Derzeit leben im Park und in den angrenzenden Gebieten 500 bis 600 Hirsche und 300 bis 400 Rehe.

Die Wildkatze (Felis silvestris), die man sehr schwer zu Gesicht bekommt, ist vorwiegend nachts unterwegs, wie auch der Edelmarder (Maries martes), der Steinmarder (Martes foina), der Iltis (Mustela putorius) und der gemei­ne Dachs (Meles me/es). Sehr häufig anzutreffen sind hin­gegen das Mauswiesel (Mustela nivalis) und der Fuchs (Vulpes vulpes toschii), der zu einer besonderen, im Apennin vorkommenden Rasse gehört. Außer auf den Siebenschläfer (G//s glis), die Haselmaus (Muscardinus avellanarius), die Schneewühlmaus (Microtus nivalis) und andere kleine Nagetiere trifft man im Park leicht das Eichhörnchen (Sciurus vulgaris meridiona/is) an, das eine intensiv braune Färbung mit einem weißen Streifen längs des Bauchs aufweist. Der Fischotter (Lutra lutra) lebte früher in zahlreichen Exemplaren längs der Wasserläufe, ist heute aber seltener geworden; im Park wird jedoch ein Programm für seine Wiedereinsetzung verwirklicht. Der Luchs (Lynx lynx), ein geheimnisvolles Tier, dem die Bevölkerung die Namen 'Wolfluchs' oder 'Pantherkatze' gegeben hatte, ist im Park in den unzugänglichsten und unberührtesten Gegenden vertreten. Historische Quellen und biologische Funde scheinen darauf hin­zuweisen, daß auch der Damhirsch (Dama dama) in den letzten Jahrhunderten in den Bergen des Nationalparks der Abruzzen gelebt hat. Man nimmt an, daß es keine autochthone, aus dem Gebiet selber stammende Art gewesen, sondern aus einigen der angrenzenden Gebiete eingewandert sei, in denen seit der Römerzeit Einsetzungen zum Zwecke der

Jagd und der Verschönerung der Umgebung vorgenom­men wurden. Zahlreich sind die Vogelarten, ungefähr 300, unter denen der Ehrenplatz dem Königsadler (Aquila chrysaetos) gebührt, der an unzugänglichen Orten oberhalb der Wälder lebt, von denen aus er das Gebiet beherrscht. Er ist mit zwei Pärchen vertreten und leicht zu Gesicht zu bekommen, wenn er über den Tälern. Bergkämmen und Gipfeln schwebt und nach Beute Ausschau hält. An Raubvögeln im Park gibt es weiter den Mäusebussard (Buteo buteo), den Hühnerhabicht (Accipiter gentilis), den Sperber (Accipiter nisus), den Schwarzen Milan (Mllvus migrans), den Turmfalken (Falco tinnunculus) und den Wanderfalken (Falco peregrinus). Nachts kann man die Rufe der Nachtraubvögel hören, des Steinkauzes (Athene noctua), des Waldkauzes (Strix aluco), der Schleiereule (Tyto alba), und manchmal auch den Ruf des Uhus (Bubo bubo).

Im Frühling und im Sommer erklingt der Gesang der Vögel an allen Orten und in jedem Winkel des Pari«, und es wäre sehr schwer, alle die hier anzutreffenden einheimi­schen und Zugvögel einzeln aufzuzählen, aber einige ver­dienen es, genannt zu werden. So begegnet man häufig dem Eichelhäher (Garrulus glandarius), der oft in kleinen, lär­menden Gruppen unterwegs ist; der Kohlmeise (Parus major), einem zierlichen, 'pausbäckigen' Sperlingsvogel; der Wildtaube (Columba palumbus), die ein eigenartiges Geräusch mit ihren Flügeln macht, wenn sie zwischen den Bäumen hindurchfliegt; dem Grünspecht (Picus viridis), der leicht an dem charakteristischen 'Klopfen' zu erkennen ist. das er an den Stämmen bei der Suche nach Insekten erzeugt; dem Wiedehopf (Upupa epops), der im Frühling aus den warmen Gegenden, wo er den Winter verbracht hat, in den Park zurückkommt; dem Großen Rotspecht

(Dendrocopus major), der manchmal kopfüber die Insekten unter der Rinde der Bäume sucht; und schließlich der wohlbekannten Amsel (Turdus merula), die gern in den Talsohlen nistet.

An den Wasserläufen leben die Wasseramsel (Clincus dincus), die gelbe Bachstelze (Motadlla c/'ne-rea) und andere einheimische und Zugvögel.

Zu ihnen gesellen sich besonders im Winter an den Ufern der Seen und in den sumpfigen Gebieten zahl­reiche für die Feuchtgebiete typische Arten - wie der Graureiher (Ardea cinerea), ein eleganter Stelzvogel.

Im Hochgebirge sieht man die Alpendohlen (Pyrrhocorax graculus) häufig in Gruppen akrobatische Flugmanöver voll­führen, man trifft auf die Alpenkrähe (Pyrrhocorax pyrrhoco-rax), den Schneefinken (Montifringilla nivalis), und den Hausrotschwanz (Phoenkusius ochrurus).

Eine Art aus dem Norden von besonderem Interesse ist das Steinhuhn (Alectoris graeca).

Der zweifellos interessanteste Waldvogel ist der äußerst seltene Lilford-Specht (Dendrocopos lilfordi), auch Weißrückenspecht genannt, der nur in wenigen Gebieten des mittleren und südlichen Apennin vorkommt